Lilly's Art

Feine Flötenuhr

Feine Floetenuhr

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Wien, 1815 (Datum und Meister auf dem Orgelwerk vermerkt)

Gehäuse
Mahagoni furniert und politiert, teils ebonisiert, feuervergoldete Bronzeapplikationen, zwei blattvergoldete Karyatid-Hermen aus geschnitztem Lindenholz, blattvergoldete Löwenfüße, Säulen aus böhmischem Überfangglas, Bekrönung in Form der Göttin Fortuna mit Füllhorn aus blattvergoldetem Lindenholz
Zifferblatt
Bronze guillochiert
Werk
Uhrwerk: Ankergang, Wiener 4/4-Schlag auf Glocken, Datumsanzeige, Pendelanwurf, Repetition, Schlagabstellung, Gangdauer zwei Tage (plus Gangreserve) Orgelwerk: Federantrieb, originale Walzen, 22 Pfeifen, Selbstauslösung zur vollen Stunde, Repetition, Abstellung
Maße
73 × 50 × 31 cm

Die außergewöhnliche Bedeutung der Wiener Flötenuhren zu ihrer Entstehungszeit lässt sich heute vor allem durch den Umstand nachvollziehen, dass unsterbliche Komponisten wie Haydn, Mozart und auch Beethoven eigens dafür Musik schufen. Die Orgelautomaten mit Pfeifenwerk, Blasebälgen und austauschbaren Walzen ermöglichten Passagen und Tempi, die die Fähigkeiten von Musikern aus Fleisch und Blut oft übertrafen. Der Erfolgsgeschichte der Wiener Flötenuhr liegen die einzigartigen Bedingungen zu Grunde, die in der Donaumetropole um 1800 herrschten: Hier fanden sich hervorragende Uhrmachermeister, ausgezeichnete Musik-Maschinisten, begnadete Möbeltischler und nicht zuletzt eine unvergleichliche Anzahl berühmter Komponisten.

Stephan von Keeß meinte 1823: „Obschon diese Flötenwerke in Frankreich und vielleicht an mehreren Orten Teutschlands […] früher als in Wien bekannt waren, so verdankt man doch vorzüglich den Wiener Arbeitern […] den hohen Grad der Vollendung, worauf diese Instrumente gegenwärtig stehen.“

Bereits in der Renaissance wurden selbstspielende Musikwerke gefertigt. Sie zierten die Kunst- und Wunderkammern der europäischen Herrscher. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Musikautomaten zum „must have“ der Fürstenhöfe. Sie galten als Kunstobjekte, bei deren Herstellung weder Kosten noch Mühen gescheut wurden und die oft als Geschenke für Kaiser und Könige fungierten. In Wien machte sie vor allem Graf Deym bekannt, eine der schillerndsten Persönlichkeiten jener Zeit. Nach einem Duell musste er Österreich verlassen, kehrte jedoch 1780 unter dem Decknamen Joseph Müller zurück und eröffnete eine Kunstgalerie, in welcher auch Musikautomaten zu bewundern waren. Diese entsprachen offenbar dem Wiener Geschmack und wurden bald von heimischen Meistern für einen elitären, meist adeligen Kundenkreis gefertigt. Die Gehäuse der Wiener Flötenuhren waren von höchster Qualität und innovativer Formenvielfalt. Die Pfeifenwerke und austauschbaren Walzen waren meist aus Holz; die Musikwerke konnten feder- wie auch gewichtsbetrieben sein.

Welch unvorstellbaren Luxus und welchen Stellenwert in der gesellschaftlichen Unterhaltung ein jederzeit abspielbarer qualitätsvoller Musikautomat darstellte, ist an der aufwändigen Gestaltung und komplexen Werktechnik der wenigen noch erhaltenen Wiener Flötenuhren abzulesen.