1938 Wien – 2022 Mistelbach/Niederösterreich
- Titel
- Schüttbild
- Zeit
- 2005
- signiert
- signiert und datiert verso „hermann nitsch 05“; verso Archivnummer „(4)8/SREDI/05“
- Technik
- Acryl auf Jute
- Maße
- 150×200 cm
abgebildet in: Hermann Nitsch. Retrospettiva (Kat. Ausst. Marina di Ravenna, 7. Juli – 30. Aug. 2007), Ravenna 2007, S. 38.
Der Malakt als ein Fest der Lebenskraft, eine Orgie, ein Bacchanal, eine wohltuend enthemmte Raserei, von den Fesseln moderner Zivilisation befreit, ungebremst und direkt. Hermann Nitsch hat mit seinen progressiven Schüttbildern Kunst-Geschichte geschrieben. Nitsch war fasziniert von Religion, dem Rituellen und Zeremoniellen sowie den primitiven, urzeitlichen Wurzeln religiöser Praxis. Eine andere Leidenschaft war die Philosophie, vor allem die Arbeiten Schopenhauers, Heideggers und Nietzsches. Sein Interesse für Sigmund Freuds Psychoanalyse und die Theorie des Unbewussten verband sich mit der Begeisterung für die Impulsivität der Art Informel. So bedeutend diese zahlreichen Einflüsse auch für das innovative und vielschichtige Schaffen Hermann Nitschs waren, so stand doch über alledem ein Begriff: „Intensität“. Seine Kunst musste, wie Nitsch nicht müde wurde zu betonen, stets dem Anspruch der Intensität gerecht werden. Auch deshalb die Wahl der Farbe Rot – keine andere Farbe löst eine derart starke Reaktion aus; Rot erhält unsere instinktive Aufmerksamkeit. Mit seinen Schüttbildern trieb Hermann Nitsch die Techniken des Action Painting auf die Spitze. Noch mehr als bei Jackson Pollocks Drip-Painting-Verfahren geht es bei Nitschs aktionistischem Malprozess um die Abgabe von Kontrolle zugunsten eines nahezu schicksalhaften Vorganges, vergleichbar den geworfenen Knöchelchen eines antiken Orakels. Die Bildfläche zeigt „exempelhaft die visuelle Grammatik des Orgien.Mysterien.Theaters“. Nach dem kraftvollen Akt des Schüttens folgte der unmittelbare, gestische Eingriff des Künstlers: Nitsch finalisierte das Gemälde mit bloßen Händen, mit welchen er die großzügig aufgetragene, tropfende und rinnende Farbe verstrich. Die so entstandenen rillenartigen Spuren seiner Finger sind essenzielles Gestaltungsmittel und verleihen der Farbe Struktur; gleichzeitig handelt es sich um eine ungemein direkte, fast archaische Form der Signatur. Hermann Nitsch, 1938 in Wien geboren, galt lange als „enfant terrible“ der österreichischen Kunstszene. Heute ist seine bedeutende Rolle als Initiator des Wiener Aktionismus – gemeinsam mit Günter Brus, Otto Mühl und Rudolf Schwarzkogler – in der internationalen Kunstszene unumstritten.