- Zeit
- Salzburg, um 1500
- Material
- Lindenholz geschnitzt, großteils originale Fassung und Vergoldung
- Maße
- 106×118 cm
„Und der Engel kam zu ihr herein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadigte, der Herr ist mit dir! […] Fürchte dich nicht, Maria! Denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. […] Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. […] Maria aber sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du gesagt hast!“ So schildert Lukas – als einziger der Evangelisten – die Verkündigung des Herrn. Das vorliegende Relief ist ein wunderbares Beispiel für die skulpturale Umsetzung dieser bedeutenden biblischen Szene und wurde wohl von der Hand eines Salzburger Meisters der Spätgotik (um 1500) geschaffen.
Die Ikonographie der Verkündigung weist im Detail eine große Bandbreite an Varianten auf. Maria ist meist in einem Innenraum wiedergegeben, welcher jedoch auf unterschiedlichste Weise gestaltet sein kann. Abgebildetes Relief zeigt die Gottesmutter in einem von marmorierten Säulen getragenen Gewölbe. Eine vergleichbare Architektur findet sich etwa auf einem Salzburger Reliquienaltärchen (Mariapfarr, 1443) und beim Kefermarkter Altar (Oberösterreich, 1490/95). Ein Holzschnitt mit ähnlicher Bildkomposition (um 1450/60, National Gallery of Art, Washington) lässt vermuten, dass sich diese spezielle Ikonographie durch Druckwerke unter den europäischen Bildschnitzern verbreitet hat.
Maria kniet an einem Lesepult (ein Verweis auf die Prophezeiung des Erlösers in der Heiligen Schrift) und hebt eine Hand. Die Handhaltung Mariens ist ein wichtiges Detail, hat die Verkündigung doch fünf Phasen: Conturbatio (Aufregung), Cogitatio (Reflexion), Interrogatio (Nachfrage), Humiliatio (Unterwerfung), Meritatio (Dankbarkeit) welche nur durch Gesten erkannt werden können. Das abgebildete Relief zeigt demnach den Moment der Interrogatio – der Nachfrage Mariens („Wie soll das geschehen?“) und der Erklärung des Erzengels Gabriel. Gabriel selbst ist kniend im Profil dargestellt. In seiner Hand hält er einen Lilienzweig, ein Symbol der Reinheit. Die Figur des manteltragenden Assistenzengels ist eine weitere Spielart der Verkündigungs-Ikonographie und etwa auch bei Michael Pachers Laurentiusaltar (Neustift, Brixen, 1462/63) zu entdecken.
Wir freuen uns, mit diesem Relief eines der wenigen erhaltenen großformatigen mittelalterlichen Schnitzwerke mit der Darstellung dieses wichtigen Moments der Heilsgeschichte präsentieren zu können.